Es ist etwas passiert…

21.05.2022
Ich habe den Podcast mit Nathalie Stüben und Vlada Mättig: `Warum Du Dich nicht als Alkoholiker*in bezeichnen musst‘ gehört und mich in diesem Gespräch total wiedergefunden. Hier ging es darum, dass ich mich nicht ein Leben lang als alkoholkrank sehen und mich nicht nach einer langjährigen Abstinenz noch immer als Alkoholikerin bezeichnen muss. Wem das jedoch hilft, der kann es natürlich gerne so halten.
Für mich passt das nicht. Mich demotiviert die Vorstellung, mich offiziell niemals als gesund bezeichnen zu können. Und ich sehe es auch nicht so. Ein Raucher, der aufhört ist in der Gesellschaft ein NICHT-Raucher. Obwohl auch hier die Rückfall-Quote relativ hoch ist. Ich habe mein Ziel vor Augen und dies zeigt deutlich eine Frau, die sich dazu entschieden hat ohne eine giftige Substanz durchs Leben zu gehen, die ihr in den letzten Jahren körperlichen und seelischen Schaden zugefügt hat. Ich möchte in einer Zeit, in der ich mich sicher und gefestigt fühle, sagen können: ‚Ich bin gesund und habe mich befreit von dem gefährlichen Irrglaube unserer Gesellschaft, dass unser Leben ohne Alkohol an Spaß und Qualität verliert‘. Denn während die anderen sich die Birne wegsaufen um in eine Stimmung zu kommen, an deren Resultat sie sich am nächsten Tag kaum mehr erinnern können, werde ich jede fröhliche Lebensminute zukünftig in meinem Gedächtnis bewahren. Ich glaube daran.
In den letzten Tagen spüre ich nun eine deutliche Verbesserung meiner Konzentrationsfähigkeit, trotz des weiterhin anhaltenden Schlafmangels. Gesprächen zu folgen fällt mir leichter und speziell Büroarbeiten, die nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung gehören, arbeite ich gefühlt schneller ab. Allerdings rauche ich nach wie vor meine ein bis zwei Zigaretten am Abend. Diese Tatsache schmälert mein Erfolgsgefühl jedoch nicht. Ich bin nun seit über einem Monat trocken.
Inzwischen ist der 22.05.. Marta, Selina und ich sind um ca. 03:30 Uhr nach Hause gekommen. Wir hatten kurzfristig beschlossen, zu dritt nach Offenburg zu fahren und dort tanzen zu gehen. Ich bin gefahren, obwohl auch die anderen beiden nichts trinken würden. Selina hat noch nie getrunken und Marta musste von mir ja später noch nach Hause fahren.
Die Musik, die der DJ für die gefühlt hauptsächlich Ü50 feiernden Meute spielte, lag nicht ganz in meinem Geschmacksbereich und zog mich somit nur selten auf die Tanzfläche. So beobachtete ich die fröhlich zufriedenen Gesichter der Menschen, die sich auch beim dritten Aufruf zu einem ellenlangen ‘Freestyle‘ im immer gleichen Schrittmuster motiviert bewegten. Schön! Ich fühlte mich gut. Der Alkohol war nicht in meinem Kopf, weder in seiner reinen Form noch gedanklich. Ich feierte ohne ihn tatsächlich viel sicherer und freier. Ich konnte alle Eindrücke klar aufnehmen und musste mich weder beim Sprechen, noch bei irgendeiner Bewegungsform zusammenreißen um nicht aus der Rolle zu fallen oder mich möglicherweise peinlich zu benehmen. Ich konnte frei und unbeschwert tanzen und hatte einen unfassbaren Spaß dabei. Vor einiger Zeit hätte ich das nicht für möglich gehalten. Ich konnte feiern! Ganz alleine! Ohne den berauschenden Dämon, der mir immer einreden wollte, ohne ihn ginge gar nichts. Ich fühlte mich saugut! Und die Mädels haben mit ihrer Stimmung noch dazu beigetragen.
Danke! Ich hab Euch lieb!

Ich bin heute morgen aufgewacht und wusste: Ich bin nicht nur wieder einen Schritt in die richtige Richtung gegangen, sondern ich habe diesen auch genossen. Ich setze somit einen fetten Haken an meine ehemalige innere Frage: ,Bin ich auch ohne Alkohol noch gesellschafts- und partytauglich?‘ und antworte stolz: ,Ja, mehr denn je!‘
Trotz der kurzen Nacht war ich voller Elan. Ich musste erst am späten Nachmittag anfangen zu arbeiten und hatte somit noch einen halben Tag Zeit. Ich wollte zum Buchtunger Tierhof fahren. Dort war heute nämlich ein ‚Floh’- Markt 😜😄. Dort angekommen, streichelte ich mich erst einmal fröhlich. Keines der Tiere kam an meinem ‘Anfass-Bedürfnis‘ vorbei. Ich verliebte mich spontan in den wahrscheinlich hässlichsten und damit für mich süßesten Tierheim-Bewohner: in Bobby, das weiße Hängebauchschwein. Zumindest gehe ich von einem solchen aus.
Es ist etwas passiert…
Ich kann natürlich darauf hoffen, dass das Glück in meinem dunklen Seelenleben irgendwann einmal an der Gefühlsschraube dreht, oder ich kann mich zeigen und ihm möglicherweise sogar entgegengehen.
Ich fühle, dass es nun manchmal an mir vorbeihuscht und mich dabei zeitweise sogar leicht streift. Doch ich halte es nicht fest und laufe ihm auch nicht nach. Weil ich weiß, dass es wiederkommen wird und möglicherweise irgendwann auch einmal länger bleibt.

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