Die Nacht lief zwar nicht unterbrechungsfrei, jedoch ohne Schmerzen ab, und ich fühlte mich um 6:30 Uhr ausgeruht und frisch. Ein festes Ziel hatte ich mir zwar nicht gesetzt, wollte heute jedoch die 20 km nicht überschreiten. Das war zumindest der gestrige Plan. Heute morgen war Fräulein Ehrgeiz seit langem einmal wieder völlig aus dem Häuschen und forderte ihre Daseinsberechtigung! Ich hatte Mühe, sie zu beruhigen und versprach, dass auch ihre Zeit wieder kommen würde. Nur nicht heute! Einen weiteren Knockout -Tag wollte ich nicht riskieren ☝🏻. Sie zog sich schmollend zurück und ergab sich ihrem Schicksal. Das Frühstück um 8:00 Uhr variierte ich heute mal mit einen Ananassaft und einigen Vitamintabletten. Um 8:40 Uhr zog ich bei wieder schönstem bewölktem Pilger-Wetter los.

Nach 2,5 Wochen lief ich den ersten Tag völlig schmerzfrei los. Ich fühlte mich wie der Roadrunner unter den Pilgern. Die wenigen, die ich traf, ließ ich alle hinter mir zurück 😊. Ich überholte eine ganze Pilgergruppe, was allerdings nicht sonderlich ruhmreich war, weil diese gerade erst wieder von ihrer Rast aufbrach. Und da eine Gruppe nur so stark, wie ihr schwächstes Glied ist, war ich zuversichtlich, ihnen an diesem Tag nicht mehr so schnell zu begegnen. Motiviert wählte ich ausschließlich die oft längeren, anstrengenderen und meist schöneren Camino-Wege.

An manchen Straßen wurde ausdrücklich vor Pilgern gewarnt ☝🏻. Das rote Kreuz darunter scheint eine Beschwörungsmetodik zu sein, um dieses „wandelnde“ Volk von den Straßen zu vertreiben. Bei mir schien dies aufgrund meiner fehlenden Konfession nicht zu wirken 🤷🏻‍♀️.

Nach 10 km machte ich auf einem schönen Rastplatz am Rande der Straße bei Pesues meine erste Pause. Ich war inzwischen gerade gute 2 Stunden unterwegs, was einen recht guten Schnitt ergab. Bis La Franca waren es ca. 8 km Caminoweg. Somit ca. weitere 2 Stunden Fußmarsch. Damit wäre ich dann bei 18 km und im gesetzten Rahmen. Allerdings war dies inzwischen eher eine „kurze“ Etappe. Ich dachte nicht weiter darüber nach und lief erst einmal mit dem roten „La Franca“ – Zielpunkt in meinem Kopf weiter.

Trotz der beruhigenden Tatsache, dass weder Max noch Mimi sich bemerkbar machten, lief ich viele steil abfallende Straßen weiterhin rückwärts. Ob aus Gewohnheit oder aus Prävention werde ich spätestens feststellen, wenn ich im ‚Schwarzwälder Boten‘ als Kuriosität Berühmtheit erlange 😉.

In Unquera, nur knapp 3 km weiter, standen die Birken, wie lange dünne Zinnsoldaten in Reih und Glied und säumten damit rechts und links einen Kiesweg. Ich erwartete, sie würden sich wie die Spielkarten bei ‚Alice im Wunderland‘ vor mir verbeugen, doch dafür reichte meine bravoröse Leistung des heutigen Tages wohl dann doch nicht aus 😉.

Unquera

Der Weg aus Unquera heraus führte bergauf über eine sehr schöne Pflastersteinstraße. Am obigen Punkt angelangt, hatte man wieder einen wunderschönen Blick, der allerdings auch die dicken dunklen Wolken nicht verbarg. Ich kam an einem Hochseilgarten vorbei; eines der Dinge, die ich schon seit Jahren machen möchte und bei der ich die Umsetzung immer von Freunden (die wahrscheinlich eher von mir dazu genötigt werden 🙈) und deren Freizeitmöglichkeiten abhängig gemacht hatte. Also zu Zeiten, an denen ich selbst meist nie gekonnt hätte. Ich beschloss dieses Thema (notfalls alleine) noch diesen Sommer anzugehen 💪🏼!

La Franca war ein sehr schöner kleiner Ort. Als ich eintraf war es 13:20 Uhr und gefühlt viel zu früh um eine Herberge aufzusuchen. Ich setzte mich an einen kleinen Fußballplatz auf dem zwei kleine Kinder, ihr Großvater und ihre beiden Hunde spielten und holte mein Brot und den üblichen Käse dazu heraus. Zuvor hatten mich beide Tiere noch kläffend davon überzeugen wollen, dass dies ausschließlich IHR Sportplatz wäre. Nun hatten sie gegen eine kurzweilige Teilung ihres Resorts nichts einzuwenden. Wenn denn auch ich zur Teilung bereit wäre ☝🏻! Ich schaute den Großvater fragend an und dieser nickte. Somit erkaufte ich mir meinen Rastplatz mit etwas Käse und hatte ab jetzt zwei treue neue Freunde. Leider war ich gedanklich jedoch so mit dem Verlauf des weiteren Tages beschäftigt, dass ich vergaß, dies bildlich festzuhalten 🤷🏻‍♀️.

Pendueles war ca. noch 6 km entfernt und lag damit über meinem geplanten Tagesziel. Hier streckte plötzlich wieder Fräulein Ehrgeiz ihren Kopf hervor, kletterte zum Innenohr und flüsterte: „Tu es…“ Also tat ich es 🤷🏻‍♀️. Ich gebe es nur ungern zu, aber die letzten Kilometer hatte sich Mimi dann doch mit Fräulein Ehrgeiz heftigst zerstritten und maulte nun wieder etwas herum. Aber wir kamen dennoch gut und noch recht fit gegen 15:30 Uhr in Pendueles an und suchten nun die ‚Auberge del Peregrinos‘, in der Hoffnung hier ausnahmsweise einmal Glück zu haben. Ich fand nach der Befragung zweier junger Spanierinnen die Unterkunft und der Herbergsvater „Peter“ hatte auch noch einen Platz frei. In einem 14 Betten- Zimmer ☝🏻!

Mein fragwürdiges „Glück“ steigerte sich mit der Tatsache, dass die zu Beginn überholte Pilgergruppe junger Spanier ebenfalls den Weg in diese Herberge gefunden hatte 🙄😂😂😂!

Um 20:00 Uhr rief der Herbergsvater seine „Schäfchen“ zum Abendessen und es stellte sich heraus, dass dies ein sehr netter und unterhaltsamer Abend mit 2 Amerikanern aus Wisconsin, 1 Italienerin aus Pisa und 8 Spaniern aus Bilbao sowie mir als deutscher Vertretung und Peter werden würde.