Montag, 21.06.2021! Ich bin schon seit einer Woche unterwegs und es fühlt sich an, als wäre ich gestern losmarschiert. Zumindest zeitlich. Körperlich hat diese Woche durchaus Spuren hinterlassen. Trotz Energieriegel, Bier, Gummibärchen und sonstigem Süßkram, den ich sonst gar nicht zu mir nehme (Kekse, Madeleines, Marmeladentoast, ….), habe ich wohl ein wenig an Gewicht eingebüßt. Zumindest sagen mir dies meine Trekkinghosen. Und auch sonst sind, durch den Rucksack, hie und da kleinere Schürfwunden an Schultern und Hüfte zu erkennen. Aber nichts davon hemmt meine Freude über jeden geschafften und erlebten Tag!

Heute morgen um 7:30 Uhr packe ich mir 2 große American Toasts mit dicker Marmelade und einen kleinen Bisquitkuchen auf den Frühstücksteller. Dazu einen Saft und 3 Tassen Kaffee.

Der Himmel ist bedeckt und es ist noch sehr frisch. Dennoch entschließe ich mich heute für das schwarze Trägerkleid, denn nach einer Woche Trekking-Outfit habe ich Lust, mich mal wieder als „Frau“ zu fühlen 😊. Und so kommt auch ausnahmsweise etwas Wimperntusche und Kajal um die Augen. Mehr habe ich auch gar nicht mit 🤷🏻‍♀️.

Ich hatte am Abend zuvor die deutsche 51-jährige Monja und die spanische 44-jährige „Quasselstrippe“ kennengelernt. Beide buhlten abwechselnd um meine Aufmerksamkeit. Monja hatte am Tag zuvor ihren Geldbeutel verloren und bezog mich so in ihre Not mit ein, dass ich schließlich das Gefühl hatte, es war eigentlich UNSER Geldbeutel 🤷🏻‍♀️. Und bei der Spanierin war ich mir nicht mehr sicher, ob wir nicht doch verwandt waren, da ich ihre Familie und Lebensumstände inzwischen besser kannte, als meine 🤔.

Nun kam Monja am nächsten Morgen (ich wollte gerade losziehen) auf die Idee, wir könnten doch gemeinsam zum Deutschen Konsulat gehen und anschließend durch die Stadt. Hier muss erwähnt werden, dass Monja eigentlich☝🏻 ebenfalls eine Pilgerin ist. Sie wollte vor einer Woche in Bilbao starten und hatte es bisher nur noch nicht auf den Camino geschafft! Sie war auch der Meinung, es würde sich hier an der Küste um den Camino frances handeln und sie wollte eigentlich den portugues laufen 🤔… 🤷🏻‍♀️😳???? Aber immerhin hatte sie einen Rucksack, einen Pilgerausweis und eine Muschel ☝🏻! Aufgrund ihrer fehlenden Pilgermotivation kannte sie aber Bilbao recht gut und immerhin ging es ja um UNSEREN Geldbeutel ☝🏻!!! Sie meinte, ich solle „kurz“ warten, dann könnten wir los. Somit brezelte sie sich „kurz“ auf, packte „kurz“ alle nötigen und unnötigen Sachen zusammen, ließ sich „kurz“ von dem Herbergsbesitzer über den Weg zum Konsulat instruieren (welchen ich inzwischen seit knapp einer Stunde auf dem Handy hatte🙄) und als ich dann voller Hoffnung mit ihr aus dem Hostel trat, musste sie nur „kurz“ noch eine Zigarette rauchen… Es war inzwischen kurz nach 11:00 Uhr. Meine Geduld war tatsächlich etwas überstrapaziert und nun hetzte sie plötzlich los, da das Konsulat um 12:00 Uhr schloss. Ich nutzte die Möglichkeit und teilte ihr mit, dieses Tempo mit meinen Knien nicht halten zu können. Sie solle ruhig ohne mich weiter, wir würden uns ja später im Hostel wieder sehen. Ich erklärte der inzwischen unruhigen Monja nochmal kurz den Weg und sie nahm unsere Trennung dann auch tapfer hin. Ich hatte zwar den Vormittag nun eingebüßt, war dennoch glücklich, diesen Tag nun doch alleine gestalten zu können 😊.

Fazid aus dieser Geschichte: Ich muss endlich lernen „Nein!“ zu sagen 🙄!

Bilbao ist in Anbetracht seiner Größe eine sehr entspannte Stadt. Von der üblichen Hetzerei ist hier wenig zu spüren und so kann man seine Gassen und die Promenade am „Estuary of Bilbao“ in Ruhe genießen.

Die Stadt hatte viel zu bieten: einen großen Park, tolle Bauwerke, wunderschöne Plätze, interessante Skulpturen und einladende Einkaufsgassen.

Links unten trainierten junge Männer stolz ihren Body. Leider konnte ich (außer mir 😉) niemanden entdecken, der ihnen dabei bewundernd zusah 😄.

Am längsten verweilte ich vor einem Kinderspielplatz, welcher offensichtlich auch zu einem Hort gehörte. Hier tummelten sich in grün und rot bekleidete „Zwerge“. Manche weinten ohrenbetäubend, andere hatten offensichtlich viel Spaß. Aber alle teilten deutlich mit, was sie wollten und was nicht! Ab wann geht uns diese Eigenschaft eigentlich verloren 🤔? Als es zurück zum Hort ging, bildeten sie eine grüne und eine rote „Raupe“ und zogen singend davon.😱🥰

Im Schaufenster eines Brautmodengeschäfts entdeckte ich ein äußerst freizügiges Kleid und wunderte mich darüber, da ich den doch sehr religiösen Spaniern eine solche Toleranz nicht zugetraut hätte. Allerdings gehe ich stark davon aus, dass es sich hierbei maximal um ein „Zweit-Kleid“ handelte, welches an heißen Sommertagen zur anschließenden Feier getragen werden konnte 😉.

Sonne und Regen wechselten sich im Laufe des Tages ab und da ich nur Sandalen trug, lief ich irgendwann mit quietschenden Sohlen zurück ins Hostel. Ich hatte mir etwas zum Abendessen besorgt: Körnerbrot, Surimi, die hiesigen pürierten Tomaten und natürlich… Gummibärchen 😋!

Den Abend werde ich entspannt ausklingen lassen und morgen früh möchte ich zeitig aufbrechen. Nächstes Ziel ist erst einmal: Portugalete! Auf dem Camino mit gut 20 km angegeben. Ob es von dort noch weitergeht entscheide ich dann spontan 😊. Der Ruhetag tat gut, aber es zieht mich weiter.