15.06.2021. Es schliefen dann doch nur 3 Männer und 1 Französin mit im Zimmer und es wurde dann auch schnell klar weshalb. Mitten in der Nacht fing es im Nebenbett an zu rascheln. Mein Nachbar schien wohl noch Lust auf Knabbereien zu haben. Nachdem ich dem Knistern eine Weile zugehört hatte fiel mir auf, dass sich der Nachbar wohl über mein Studentenfutter hermachte, welches ich in der offenen Seitentasche des Rucksacks deponiert hatte, welcher wiederum direkt zwischen uns am Kopfende stand. Ich drehte langsam meinen Kopf und sah zu meinem Erstaunen, dass das Bett neben mir leer war. Dafür krabbelte etwas Pelziges über meinen Rucksack. Ich schoss hoch und wollte dieser frechen Maus gerade erklären, dass ich diesen Proviant noch bräuchte, da machte sie sich feige aus dem Staub. Ich deponierte die Tüte im Inneren des Rucksacks und beschloss in den oberen Teil des Stockbettes umzuziehen. An Schlaf war dennoch nicht mehr zu denken, da die aufgewühlte Maus in Abständen mal über den Boden oder die Bettkante lief. So entschloss ich mich zu Entspannungsübungen, damit wenigstens mein geschlauchter Körper sich etwas erholen konnte. Am frühen Morgen gegen 6:00 (ich muss wohl doch noch etwas eingenickt sein) weckte uns die Französin dann in einer Ohren- unfreundlichen Tonlage, da es sich Mr. Maus wohl bei ihr kuschelig machen wollte.

Mr. Maus auf verzweifelter Suche nach seiner geliebten Französin 😢.

Ich werde den netten jungen Spaniern zuliebe den Namen des Hostels hier nicht erwähnen 😉. Ansonsten war auch alles sehr sauber und die Atmosphäre sehr familiär.

Mein rechtes Knie lieferte sich mit mir eine heftige Diskussion über den weiteren Verlauf des Tages. Ich mag Mäuse, aber ich wollte weiter. So lief ich erst einmal nach San Sebastion hinein um ein Rathaus oder eine Kirche zu finden, bei der ich mir meinen wohlverdienten zweiten Stempel holen konnte. Das Gebäude in der Mitte des folgenden Bildes wurde mir als Rathaus angezeigt und eine nette junge Polizistin im Inneren drückte Stempel Nr.2 in meinen Pass 💪🏼.

Ich hatte zuerst kein wirkliches Ziel. Ich ließ es entspannt angehen und nahm erst einmal ein frisch gekauftes kleines Baguette und etwas Käse zu mir und fütterte die niedlichen Spatzen und Meisen. Dann wollte ich zumindest mal bis Ende San Sebasitan laufen. Der Antlantik lud auf der Strecke einladend zum erholsamen Baden ein und ich konnte nicht widerstehen. Die meisten Strandbesucher räkelten sich nur träge in der Sonne und scheuten das kalte Wasser. Ich legte mir meinen Bauchbeutel mit den wichtigsten Gegenständen um den Hals und watete bis zum Bauch in das erfrischende Nass. Meinen Knien tat die Kühlung unglaublich gut. Ich fühlte mich anschließend fit genug um weiterzugehen. Zur Belohnung für meine mutige Entscheidung kaufte ich mir ein knallbuntes und zuckersüßes Eis und wackelte los. Jetzt war das Ziel Orio! Gute 20 km entfernt (Jakobswegstrecke! Es gibt kürzere Wege um jeweils zu den Etappen zu kommen ☝🏻).

Der Ausblick über San Sebastian bestärkte mich in meiner Entscheidung! Es war fantastisch! Die Bilder können dieses Gefühl leider nicht wiederspiegeln…

Meine einzigen Wegesrand- Begleiter waren die Tiere, die mich grasend, dösend oder bellend begrüßten. Auf der ganzen Strecke begegnete mir kein einziger Pilgerer. Maximal 5 verrückte Jogger und ebenso viele Autos kreuzten meinen Weg.
Allerdings wurde nun doch nach wenigen Stunden klar, dass auch dieser Weg beschwerlich werden würde. Mein rechtes Knie wollte sich, trotz neuem Knieschoner und leichtem Schmerzmittel, nicht auf die erneuten Strapazen einlassen. Das linke, und somit das eigentlich kaputte Knie (Miniskusschaden), hielt mir aber fest die Treue. Auf steinigem Weg entdeckte ich eine Möglichkeit, doch einigermaßen schnell voranzukommen. Meine Knie hatten inzwischen den Namen „Maximus“ und „Mimikus“ erhalten☝🏻. Wenn Maximus nun auf eine Erhöhung trat, konnte ich den pfinzigen Mimikus gerade nach vorne durchziehen, ohne das Knie beugen zu müssen. Damit war Maximus zwar wirklich maximal beansprucht (immerhin musste ich nun hier das Knie immer nach oben durchdrücken), aber Mimikus war somit entlastet. Das war zwar sicherlich sehr unfair, aber wir waren nun mal ein Team und mussten zusammenarbeiten 🤷🏻‍♀️.
Zwischendurch wurde ich vom Camino persönlich noch mit diesem Schild angefeuert, was mir einen weiteren Motivationsschub verlieh.

Nach 23 km kam ich in Orio um 18:30 Uhr endlich an (losgelaufen war ich um 13:30 Uhr) und suchte nach einer günstigen Herberge. Leider waren alle Pilgerherbergen geschlossen und inzwischen drohte auch Maximus das „Kraft-Aus“. Das Booking.com günstigste Hotel kostete 60 €/Nacht. Aber mir blieb keine Wahl! Ich konnte nur noch winzige Schritte voreinandersetzen. Die Dame an der Rezeption war zuckersüß und kümmerte sich so rührend um mich, dass ich vor lauter Dankbarkeit noch das Frühstück für 5€ dazubuchte 🙈. Bedeutet: die kommenden Tage müssen finanziell stark runterfahren, sonst müsste ich aus Kostengründen abbrechen. Und das will ich auf gar keinen Fall! Aber am Tag 2 habe ich da durchaus noch eine realistische Chance 😉. Jetzt gab es erst einmal ein warmes Bad und ein gekühltes Glas Sangria (kostenfrei☝🏻😄). Morgen muss die Etappe kurz ausfallen. Wir werden sehen 😉…