Abkürzungen gleichen Umwege aus. Weiter nach Ziortza- Bolibar.
18.06.2021. Beim mogendlichen Frühstück entschloss ich, nicht mit dem Bus nach Deba zurückzufahren. Wenn ich direkt von hier aus startete, sparte ich 2€ Busgeld und 2-3 Stunden Fußmarsch und die hatte ich durch meine „Umwegs-Überstunden“ wahrscheinlich eh schon reingeholt 😉. Allerdings würde ich bis Markina-Xemein auch ohne gelbe Pfeile auskommen müssen. Das Wetter hatte sich beruhigt und zumindest hier am Atlantik war blauer Himmel. Allerdings kehrte ich ihm ab jetzt den Rücken und es ging Richtung Inland. Meine Klamotten im Zimmer waren noch klamm-feucht und ich wollte die Zeit bis zum Check- Out um 11:00 nutzen, um ihnen zur völligen Entfeuchtung Zeit zu geben. Einige Jungs unten am Meer spielten Fußball und ich konnte erahnen, wie schön es sein musste, als Kind in einer solchen Gegend aufwachsen zu dürfen.

Dieses Mal ging ich nicht los ohne vorher eine Unterkunft fest gebucht zu haben. Es gab nunmal wohl nur eine sehr eingeschränkte Auswahl aufgrund der Pandemie, somit musste ich versuchen, immer die möglichst kostengünstigste Variante zu bekommen. Das war in diesem Fall eine Übernachtung im Vierbett- Zimmer für 50€ 😱! Ich konnte wirklich nur hoffen, dass die Pilgerherbergen im Laufe meiner Tour wieder öffnen würden.
Ich befand mich wieder neben LKWs, Bussen, PKWs sowie Renn- und Motorradfahrern auf unendlichen Straßen. Inzwischen hatte ich das Roadside-Hopping entdeckt ☝🏻. Es war eine regelrechte Herausforderung, die Straßen zum richtigen Moment zur besseren Laufseite zu wechseln. Mal war der Seitenrand rechts oder links breiter, mal konnte man hinter der Leitplanke durchs unebene Gras marschieren oder es gab seitliche Anhöhen, auf denen man ballancieren konnte. Unangenehm aber dennoch sicherer, war das Laufen im schräg abfallenden Seitenstreifen. Grundsätzlich war es heute anfänglich um „Max“ und „Mimi“ recht still und ich hoffte, es würde so bleiben.

Nach einigen Kilometern erreichte ich Berriatua. Ein netter kleiner Ort, der mich durch seine hübschen Häuschen etwas aufmunterte und mich zu einem kurzen Snack motivierte. Allerdings startete hier das abwechselnde, wenn auch leise Wimmern meiner Gelenksfreunde wieder 🙄.

Das nächste Ziel war Markina-Xemein. Dort würde ich auch wieder auf meine Pfeile stoßen ☝🏻. Als ich die Stadt betrat, war gerade die Schule aus und ich schaute zur Uhr. Es war exakt 14:00 Uhr und ich war um 11:06 losgelaufen. Von Ondarroa bis Markina-Xemein waren es 14 km. Somit hatte ich eine recht akzeptable Zeit von 4,6 km/h hingelegt. Fräulein Ehrgeiz war für diesen Tag zufriedengestellt! Ich gönnte mir in einem kleinen Laden eine Tomate, einen Apfel, eine Zitrone, eine Cola und… Gelatine für meine beiden Muffels ☝🏻. Damit setzte ich mich auf die nächste Schattenbank (das Wetter hatte sich gehalten) und holte noch meinen Rest Käse dazu heraus. Die Zitrone kam in den Früchtebehälter meiner Flasche 😋. Gekräftigt und wieder gespornt drehte ich mich eine viertel Drehung nach rechts und erblickte den ersten gelben Pfeil! Könnt ihr ihn auf den Bildern finden 😉? Kurz darauf überraschte mich eine bronzefarbene Muschel im Boden und ich war wieder sofort motiviert 💪🏼!

Der weitere Verlauf auf dem Camino war traumhaft schön und so romantisch, dass selbst die Schmetterlinge sich bei ihrer Liebeslust, trotz meiner Anwesenheit, nicht stören ließen 🥰.

Nach einiger Bergab-Strecke musste ich mich dann doch kurz auf einem Stein niederlassen, um meinen Knien eine kurze Pause zu gönnen und traf dabei auf Sophie (die eigentlich einen viel schöneren Erstnamen hat, ich mich aber an ihn leider nicht erinnere) und Adrian, einem jungen Mann aus München, dem ich am Regentag zuvor schon einmal kurz begegnet war. Sie fragten, ob es mir gut ginge und ich ein wenig mit ihnen laufen wollte. Ich erklärte, momentan nicht allzu schnell zu sein, was sie als Grund nicht gelten ließen. So schloss ich mich ihnen gerne an. Da die nächste Strecke bergauf ging, kam ich nicht nur gut mit, sondern lief zeitweise sogar ohne Probleme vor ihnen her. Meine Kondition schien hier zeitweise sogar etwas besser zu sein und so hüpfte Fräulein Ehrgeiz in meiner Brust herum und machte eine kleine Party 😄. Beiden hing ein Trinkschlauch um den Hals, den ich grinsend als „Katheter“ bezeichnete. Adrian fand diesen Vergleich zwar amüsant, bat mich dennoch lachend, das Thema zu wechseln. Sie fragten, wo ich denn die Nacht verbringe und ich erzählte von meinem Frust bezüglich der Pilger- Herbergen. Adrian sah mich staunend an und meinte, diese hätten sehr wohl geöffnet und sie kämen aus einer Solchen und wären auf dem Weg zur Nächsten. Ich traute meinen Ohren nicht, da ich in eben einer dieser Herbergen angerufen hatte und man mir mitteilte, sie hätten aufgrund von Corona geschlossen! Er erklärte, sie würden da nie anrufen, sondern einfach hinlaufen. Nun liegt die Vermutung nahe, dass diese Herbergen eventuell offiziell noch nicht geöffnet haben dürfen (dies bestätigte ja auch die Polizei in Deba), dennoch Pilgerer aufnehmen. Telefonisch dies jedoch aus Vorsicht nicht bestätigen 🤷🏻♀️. Sorry, aber ein plausiblerer Grund fiel uns nicht ein. Es ging wieder bergab und ich schwächelte. Somit forderte ich die beiden auf, nicht auf mich zu warten, da wir ja eh verschiedene Ziele hatten.

Nun war das Ganze zwar etwas ärgerlich, sollte ich in Zukunft jedoch in Pilgerunterkünften unterkommen, so war das durchaus eine gute Neuigkeit, über die ich mich (wenn auch noch verhalten) freute. Ich beschloss somit den Abend in meiner zwar teuren aber sehr netten Unterkunft zu genießen und am kommenden Morgen schon sehr früh loszuziehen, um rechtzeitig genug vor Ort zu sein. Notfalls hätte ich dann ja immer noch Zeit für einen Plan B 😊.

Ich möchte diesen Tag den Menschen widmen, die an ihrem Tun und Handeln zweifeln und nicht wissen, wohin ihr Weg sie führt. Ob Umwege oder Abkürzungen, ob der falsche oder der vermeintlich richtige Weg, ob geradlinig, steil bergauf oder auch bergab, langsam oder schnell… unser Weg hat am Ende immer das gleiche Ziel 😉.
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