Ich sitze in Ribadesella an einer Strandbar und trinke „Tinto rosso“ mit Zitronenlimonade. Die Eiswürfel hätte es in der Menge nicht gebraucht, da ich frisch geduscht mit nassen Haaren auch so schon etwas fröstle. Am Strand findet ein Volleyball -Turnier statt und es ist richtig was los!

31 km habe ich zurückgelegt, um nun am Mittelpunkt meiner Strecke angekommen zu sein. Knapp 3 Wochen habe ich gebraucht, um mir 420 km zu „erhumpeln“ 😊. Ja, ich bin stolz auf mich! Nicht, weil es etwa etwas Besonderes wäre, diesen Weg zu laufen, sondern weil ich endlich einmal etwas getan habe, was ausschließlich für mich wichtig ist. Ich habe an mich gedacht! Und ich empfinde kein schlechtes Gewissen, sondern ausschließlich Dankbarkeit für die Menschen, die mich in meinem Vorhaben unterstützt haben!

Um 6:30 Uhr hatte ich ausgeschlafen. In der Nacht hatte es kräftig geregnet und die Luft war frisch. Als ich um 7:20 Uhr das Hostel verließ, war es, wie meist, stark bewölkt aber angenehm. Heute hatte ich ein Ziel! Ich wollte mein Halb-Finale und dafür musste ich nach Ribadesella!

Ich beschloss heute abwechselnd den Rad- und Laufweg zu nutzen, da ich leider wieder humpelte und der Radweg etwas kürzer war. Dennoch wollte ich auf die schönen Momente, die der Camino einem bietet nicht verzichten.

Rechts wieder die traumhaften „ Camino- Rhodotensien“ 🥰😜…

Ich hatte Zeit und somit lief ich langsam und plante lange Pausen ein. Meine erste fand allerdings erst nach 2,5 Stunden statt, obwohl ich ohne Frühstück aufgebrochen war und mich der Hunger plagte. Aber ich fand keinen Rastplatz, an dem ich mich hätte aufhalten wollen. Schließlich kam ich an einen Friedhof, der sicher im ersten Moment für ein Morgen- Picknick auch nicht die beste Wahl war, aber mit dem Rücken an der Friedhofsmauer war die Aussicht wirklich wunderschön🤷🏻‍♀️. Von der letzten Herberge hatte jeder ein „Breakfast Package“ erhalten, welches ich hungrig öffnete. Ein abgepackter Schokoladenkuchen fiel mir zuerst in die Hände und was bei vielen jetzt vielleicht Jubel ausgelöst hätte, fand den Weg bei mir unbeklatscht aber mit dem nötigen Respekt in meinen Magen. Apfel und Ananassaft kamen hinterher, nur die Orange passte nicht mehr rein und kam somit zurück in den Rucksack.

Es gab während dieser ganzen Etappe wohl kaum einen Weg, der nicht den Blick auf die entfernten und mächtig wirkenden Berge freigegeben hätte. Als ob da jemand wäre, der über dich wacht.

Es wurde nie langweilig, auch wenn die Bilder sich für den Betrachter wiederholen mögen. Jeder Teil des Weges hatte für mich seine Aufgabe. Es gab nachdenkliche Wege, verzaubernde Wege, Wege zum innerlichen „Ruhen“, Wege zum träumen. Manchmal wiederholten sich Gedanken oder Träume. Dann waren sie wohl noch nicht fertig gedacht oder noch nicht zu Ende geträumt.

Von meinem Startpunkt Celorio bis nach Nueva waren es gute 17 Caminokilometer und ich hatte noch einige weitere vor mir. So setzte ich mich hier in ein unscheinbares kleines Cafe und trank zwei Cofe con leche für je 1€ pro Tasse☝🏻. Dafür hätte man in Deutschland maximal am Pulver lecken dürfen 😂.

Das Pferdepo-Bild hat eine kleine Geschichte 😉. Als ich zu dieser Koppel kam, blickte mich das Tier an, drehte mir dann demonstrativ seinen Hintern zu und ließ den Schanz genervt hin- und herbaumeln. Ich habe keine Ahnung, was ich diesem Gaul getan hatte, dass er mich mit dieser missbilligendenl Ignoranz strafte 🤷🏻‍♀️😂.

In Nueva war Markt und ich schlenderte langsam an den wenigen Ständen vorbei, bis mich der Duft von Brot und Käse nicht weitergehen ließ. Ich bat den Standbetreiber um ein viertel Brot und etwas Käse. Er fragte, ob ich denn einen kosten wolle und ich antwortete, er solle mir zwei kleine Stücke seines Lieblingskäse einpacken, ich wollte mich gerne überraschen lassen. Das fand er offensichtlich gut, da er mir nun auf spanisch erklärte, woher welcher Käse kommt und welche besondere Note er hat. Das machte den Käse auf jeden Fall viel kostbarer, was sich dann natürlich am Preis bemerkbar machte: 7€ für ein wenig Brot und etwas Käse… Frau gönnt sich ja sonst nichts. Ich freute mich auf jeden Fall darauf und hoffte, baldmöglichst einen Rastplatz zu finden. Ich kam, wie so oft, an einer verschlossenen Kirche vorbei. Eine Tatsache, die bei manchen Kirchen, deren Innenleben mich sehr interessiert hätte, schade war, aber für mich nicht unbedingt relevant, da ich auch sonst kein Kirchengänger bin. Dennoch empfand ich es als etwas bedrückend, dass „Gottes Haus“, verschlossen werden muss, statt jederzeit für jederman eine Anlaufstelle sein zu können.

Direkt nach der Kirche säumten bunt bemalte Steine den Weg und luden zum Schauen ein. Auf der rechten Steinwand hatte jemand Pilger gemalt und es wirkte alles sehr fröhlich und motivierend. Der Nebel hatte sich inzwischen an den Bergspitzen verfangen und hüllte nun den Bergkamm in ein weißes Chiffontuch. Es war inzwischen 13:30 Uhr und der Inhalt meiner Markttüte machte mir den Mund wässrig. Doch ich lief und lief, ohne auch nur die Möglichkeit eines geeigneten Platzes für mein Mittagessen zu finden. Schließlich kam ich an eine kleine Brücke und packte dort auf dem Mauerrand mein leckeres Brot und den duftenden Käse aus. Ich schwang das rechte Bein über die Mauer und setzte mich quer auf die kalten Steine. Das Brot und der Käse waren unglaublich gut. Wie ich da so mein Essen genoss und mein schmerzendes Bein baumeln ließ, stand plötzlich wieder Mariam neben mir. Sie hatte hier in Cuerres eine Herberge gebucht. Ihr Bein schmerzte wohl noch und sie war froh nun bald am Ziel zu sein. Ich hatte noch gute 8-9 km vor mir und brach ebenfalls wieder auf.

Ridabella war im ersten Augenblick und von oben betrachtet einfach nur hässlich. Ich hätte dies nun auch schön umschreiben können, aber das hätte den Zustand des Stadteingangs auch nicht gerettet. Wenn man jedoch weiter in sie eindringt, so wird sie vom hässlichen Entlein dann immerhin zur ansehnlichen Ente. Es war 15:45 Uhr und die Touristikinfo machte erst um 16:00 Uhr auf. Die perfekte Zeit für ein Eis ☝🏻. Es waren zwei Kuchensorten, mehr konnte ich dem brüchigen Englisch des Verkäufers leider nicht entnehmen. Aber lecker ☝🏻! Die Touristikdame drückte mir zwar einen sehr schönen Stempel in meinen Pilgerausweis, konnte mir bezüglich einer Pilgerunterkunft aber keine Auskunft geben 🙄 und drückte mir eine Stadtkarte und Hotelverzeichnis in die Hand. Damit tingelte ich los und fand eine Herberge. Allerdings waren inzwischen Schulferien in Spanien und alle Eltern hatten ihre Kinder in Surfschulen gesteckt, welche wiederum mit den Herbergen kooperieren. Machte zwar Sinn, war für mich aber semioptimal, da diese nun überfüllt waren. In einem kleinen Hotel bekam ich das letzte Zimmer für 55€ stand 75€, da ich alleine und das Zimmer eigentlich für 2 Personen ausgelegt war. Ich würde in Anbetracht des Preises trotzdem gerne maulen wollen, halte mich aber zurück. Heulen konnte ich ja auch noch auf dem Zimmer 🤷🏻‍♀️. Statt zu heulen, ging ich dann lieber duschen und fand mich mit dem Umstand ab.

So, und nun sitze ich, wie schon anfangs erwähnt, an der vollen Strandbar und feiere meine Halbzeit mit einem süßen Rotwein-Mix. Nur mit einem, da ich morgen ja wieder weiter möchte 😉!