13.07.21 Um 19:00 flitzte ich Richtung „Health Center“, da ich mich dort mit den anderen verabredet hatte. Die ‚Anderen‘ bestanden jedoch nur aus Adelina und Eloy. Die anderen Jungs hatten wohl etwas geplant, worüber ich hier nun lieber nicht ausführlich schreibe, da es doch etwas am Rande der Legalität kratzt. Wir liefen Richtung Leuchtturm und genossen gemeinsam und doch recht still die grandiose Aussicht auf das unruhig tanzende Meer.

Während ich inzwischen wieder rennen und springen konnte, trug Adelina, trotz des frischen Windes, aufgrund ihrer Knie -und Fußschmerzen Flip Flops. Sie war erst die zweite Woche unterwegs und vielleicht mussten sich unser Körper einfach erst an die Strapazen gewöhnen. Ich war dankbar und froh, dass es mir vergönnt war, nun hoffentlich noch eine schmerzfreie Zeit auf dem Camino verbringen zu können.

Ich drängte auf ein Eis, denn irgendwie wollte ein richtiger Hunger nun doch nicht aufkommen. In Spanien sind die ‚Helaterias‘ tatsächlich rar, doch Eloy erfragte für uns, das inzwischen von allen dreien gewünschte Ziel. Das Eis war mega lecker und sehr üppig und ich hatte blöderweise mein Bargeld im Hotel gelassen. Um nun keine Pappbecher spülen zu müssen, übernahm Eloy die Rechnung und ich zahlte dafür im Supermarkt mit der EC- Karte unsere Abendgetränke. Denn nun wollten wir uns doch noch auf Bier und Wein in der Herberge mit den anderen treffen. Auch Mariam war inzwischen dazugestoßen und ich freute mich, die quirlige und hübsche, wenn auch sehr dünne Italienerin, dort zu sehen. Der Abend wurde sehr ‚feuchtfröhlich‘, da es zudem zu regnen begann und wir uns im Außenbereich aufhielten. Eine Zeltplane konnte uns noch wenige Minuten von einem Zurückziehen ins Innere der Herberge abhalten.

Um 22:30 Uhr ging bei mir der innere Rollladen nach unten und es zog mich ins Hotel und dort in mein Bett. Ich schlief wie ein Stein, was in diesem Fall allerdings eher dem Rotwein zu verdanken war.

14.07.21 Wir hatten heute eine Strecke von nur 15 km vor uns, und somit war ausschlafen eher ein zusätzlicher Zeitvertreib. Adelina, die ebenfalls im gleichen Hotel untergebracht war, klopfte um 8:00 Uhr an meine Tür und fragte, ob wir heute gemeinsam laufen wollten. Eloy würde auf dem Camino auch noch zu uns stoßen. Ich willigte, trotz unseres letzten gemeinsamen und etwas zähen Walks ein, und wir starteten spät um 8:30 Uhr. Wir hatten schon die ersten Minuten, trotz des bewölkten Himmels und des leichten Nieselregens, einen mörderischen Spaß. Am gestrigen Abend wurde in guter Stimmung verabredet, dass wir auf jeden Fall am Zielort Ribadeo baden gehen wollten, egal was das Wetter uns heute bescherte. Es war die letzte Etappe und der letzte Aufenthalt am Meer und das wollten wir auf jeden Fall mit einem Bade abschließen. Heute morgen war es dann sehr frisch und uns erschien unsere Idee vom gestrigen Tage vielleicht nicht mehr ganz so geistreich, dennoch bezweifelten wir ihre Umsetzung nicht. Der Weg führte uns wieder durch traumhafte Landschaften, die durch unsere gute Laune nur noch schöner erschienen.

Unsere Gespräche drifteten allerdings auch in ernstere Gefilde ab. Auch hier gestaltete sich dann doch das gleiche Phänomen, wie zuvor bei Milena, Dawid, Eloy und einigen anderen, die sich auf dieser Reise befanden. Das fast schon stumme Verständnis für die Gefühle des anderen. Wir liefen auch heute teilweise schweigend nebeneinander her, doch heute fühlte es sich gut an. Adelina war 35 Jahre alt und hatte sich in Rumänien ihre Selbstständigkeit hart erkämpft. Sie wirkte stark und selbstbewusst, was sie sicherlich auch war. Aber auch ein wenig hart und anspruchsvoll an sich selbst. Ich teilte ihr meinen Eindruck mit und nach kurzem Überlegen meinte sie schulterzuckend: „Yes, maybe“. Wir liefen, lachten, quatschten und „lost sometimes“  den Camino, so dass wir uns plötzlich in der Nähe eines netten kleinen Strandes befanden. Wir zogen schnell unsere Schuhe aus und hüpften ausgelassen im Wasser herum. Anschließend setzten wir uns auf eine Bank, aßen eine Kleinigkeit und hörten Musik von  „Evanescence“. Vielleicht war es die Musik, die Adelina zum Weinen brachte, vielleicht die Themen über die wir gesprochen hatten, aber plötzlich brach es aus ihr heraus. Ich nahm sie in den Arm und ließ sie weinen. 

Wir tranken in der kleinen Bar nebenan noch einen Kaffee und liefen dann weiter. Eloy hatte sich inzwischen gemeldet. Er war schon in Ribadea und wartete dort auf uns. Wir wollten dann gemeinsam nach einer Herberge suchen. Im Touristikbüro gab man uns eine Liste mit allen Herbergen mit und Eloy rief bei der nächsten Unterkunft an. Diese war geöffnet und hatte auch Platz für uns. Wir richteten uns dort sogleich ein und packten schnell unsere Badesachen zusammen, denn inzwischen zeigte sich das Wetter unserem gestern unter Alkohol entstandenem Badeplan gegenüber gnädig und ließ die Sonne scheinen. Zuerst einmal brauchten wir aber etwas zur körperlichen Stärkung. Also wurde der nächste Supermarkt geplündert, mit Dingen, die ein einzelner Mensch an einem Tag gar nicht verarbeiten kann. Man sollte eben nicht einkaufen, wenn man hungrig ist. Der erste Strand war „very ugly“ und so liefen wir über 30 Minuten lang zu einem Weiteren, welcher Eloy empfohlen wurde. Je näher wir dem Meer kamen, umso düsterer wurde der Himmel und wir befürchteten, dass wir das schöne Wetter nicht mehr genießen könnten. Doch der Strand entpuppte sich als wahres Sonnenparadies. Hier fingen sich die Sonnenstrahlen und erwärmten die umliegenden Felswände. Das Wasser war eisig und auch mein lautes deutsches: „Scheiße, ist das kalt“, änderte an diesem Umstand erst einmal nichts. Doch nach einiger Zeit hatte der Körper seine Temperatur den Gegebenheiten angepasst, und wir waren erfrischt und glücklich. Der Tag lief ,chillig‘ weiter. Wir lagen faul in der Sonne, bis meine Nase glühte, hüpften zwischendurch wieder ins kühle Nass und spielten Wort- und Satzspiele auf englisch. Als die Flut uns den Strand immer mehr raubte, packten wir zusammen und es ging zurück zur Herberge.

Dort wartete Mariam mit einer aufgeplatzten Blase und leider großen Schmerzen am Fuß auf uns. Eloy versprach etwas zu kochen, um sie damit etwas aufzumuntern. Inzwischen hatten noch weitere Pilger die Herberge erobert und es schien voll zu werden. Ich wurde etwas wehmütig in Anbetracht des letzten Abends am Meer und hoffte, dass sich dies beim fröhlichen Zusammensitzen später legen würde. Der Gedanke an das baldige Ende meiner Reise ploppte immer öfter auf. Und eines wurde mir am heutigen Abend klar: Ich würde es vermissen! Alles! Die Gedanken, den Weg, die Menschen und die unglaublich phantastischen Gespräche!