Ein „unnötiger“ Tag schenkt Beachtung!
25.06.2021. Um 6:00 Uhr klingelte der Wecker und um 6:40 Uhr saß ich bei einer Tasse Kaffee und einem süßen Croissant beim Frühstück. Wer mich kennt, der ist jetzt überrascht. Aber in Spanien gibt es nur „dolce“ zum Frühstück (Süßes) und da war dieses Croissant noch das kleinste Übel 😄. Ich startete um 7:10 Uhr in den noch frischen und teilweise vernebelten Tag. Herrlich!

Meine Beine waren wieder gut verpackt und auf meine schmerzende Zahnfleischstelle hatte ich mir Penatencreme geschmiert 🙈. Jedes zweite Baby oder Kleinkind hatte die Bekömmlichkeit dieser, ohne größeren Schaden, doch schon einmal getestet. Da würde sie mich auch nicht töten und im schlimmsten Fall half es einfach nur nicht 🤷🏻♀️. Ich bildete mir allerdings ein, dass die Schmerzen nun erträglicher waren 😊. Max hatte sich inzwischen an die Strapazen gewöhnt und Mimi wurde merklich stiller. Der Tag lief somit sehr gut an. Nach 2 Stunden machte ich eine erste kleine Pause. Die Etappe mit ihren angegebenen 32 km schien ruhig und angenehm zu werden. Tolle Wege, unglaubliche Landschaften und ein fantastisches Wetter standen mir bevor.

Als mein Weg mich an einer Kuhherde mit vielen Jungtieren vorbeiführte, blickten nur die Kälbchen auf um mir nachzusehen, während die älteren Kühe friedlich grasten. Wann verlieren wir unsere Neugier? Ab wann sehen wir nicht mehr so genau hin?
Die Boa Constrictor war mir bis nach Islares gefolgt und wand sich nun elegant durch Felsen und Wälder.

Um kurz nach 12 Uhr machte ich die zweite Rast, nachdem ich durch deutsch angehauchte Ortschaften mit hübschen Häuschen und gepflegten Gärten marschiert war. Bis zu diesem Zeitpunkt erschien mir mein Weg fast ein wenig „unnötig“. Er war schön, ohne Zweifel, aber er brachte mich, außer an Kilometern, nicht weiter.

Nach inzwischen 6 Stunden Tagesmarsch und etlichen weiteren Minuten auf einem Feld- und Wiesenweg tauchte, wie aus dem Nichts, plötzlich das Meer wieder auf! Es wirkte, als ob jemand die Seite mit den Wiesen, Weiden und Kühen einfach umgeblättert hätte.

Es folgten atemberaubende Aussichten, allerdings auch sehr schwierige Stein- und Felsenwege, die Mimi leider gar nicht gut verarbeitete. Und so setzte ich mich, am obersten Punkt des Berges angekommen, auf einen Stein und sah hinunter auf die traumhafte Bucht von Laredo! Jeder schmerzende Schritt hienauf hatte sich mehr als gelohnt! Wenn ihr mit euren Augen dem Strand bis zur Spitze folgt, findet ihr auf der gegenüberliegenden Seite Santon(j)a (dazwischen liegt der „Ria de Treto“, der dort in den Atlantik überfließt). Bis dorthin wollte ich heute kommen!

Ich lief nach wie vor alle steilen Abstiege rückwärts hinunter, da ich beide Knie so gut als möglich schonen wollte. Dabei fiel mir auf, dass es manchmal besser ist zu sehen, was man schon hinter sich gelassen hatte, als zu sehen, was man noch vor sich hat 😉! Auf meinem Weg traf ich einige wenige Pilgerpaare, die in Bilbao gestartet waren und mir teilweise bemitleidende Blicke zuwarfen. Dabei war ihnen nicht bewusst, dass ich sie ebenso um den Weg bedauerte, den sie nicht hatten gehen können. Ein Paar aus den Niederlanden bot mir eine dicke Mullbinde an, um meine Gelenke damit zu stabilisieren. Als ich ihnen einen Blick auf meine kunstvolle „Stabilisation“ unter meiner Hose gewährte, steckten sie die Mullbinde ehrfurchtsvoll wieder weg 😂. Dennoch war ich ihnen dankbar, dass sie mich überhaupt wahrgenommen hatten. Pilger sind wie Kälbchen ☝🏻😊!

Auch ein junges slovenisches Paar hatte mich in Laredo bemerkt und sie schlossen sich mir -trotz meiner „Behinderung“ – kurz an. Da ich aber hie und da auch für Fotos stehenbleiben wollte, forderte ich sie auf, ohne mich weiterzugehen.
Auf der ewig langen und sehr schönen Promenade von Laredo traf ich auf eine Gruppe Kinder und ihre Betreuer, die irgendjemand mit einem neongelben Textmarker bepinselt hatte 😳. In dieser Signalaufmachung konnte zumindest keines der Kinder verlorengehen 😂!

Am Ende der Strandpromenade wartete tatsächlich ein Boot auf mich (zumindest fühlte es sich so an 😉) und wir setzten über nach Santon(j)a. Dort angelegt kaufte ich mir erst einmal ein Eis für 2,50€ und humpelte gemütlich zur Herberge, die ich kurz zuvor für 12 € gebucht hatte 😊.

Der ältere Herbergsvater schien mich irgendwie sofort ins Herz zu schließen. Zumindest „betüddelte“ (norddeutsches Wort für umsorgen/ bemuttern) er mich, als ob er mich am kommenden Morgen adoptieren wollte 😄. Ich bekam sogar ein eigenes Zimmer 😉. Nach der Dusche kam dann der Schock, als mein Blick auf meine Beine fiel…

Zum Abschluss des heutigen Tages mit einem Fußmarsch von 28 km und einer Bootsfahrt von ca. 3-4 km, gönne ich mir heute mal etwas Sangria ☝🏻! Wohin es mich morgen führt, ist heute noch ungewiss …

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