Gestern abend habe ich noch die letzten Minuten des Halbfinales Italien-Spanien angeschaut. War nach dem spanischen Ausgleichstor ein ‚Muss‘, nachdem das Jubel- Geschrei das ganze Hotel zum Wackeln gebracht hatte. Ich will schließlich rechtzeitig gewarnt sein, wenn Einsturzgefahr droht☝🏻. Nachdem Italien dann, gegen die wirklich kämpfenden Spanier, im Elfmeterschießen gewonnen hatte, hoffte ich, es würde in diesem sehr hellhörigen Haus Ruhe einkehren. Jedoch wurde das Spiel offensichtlich anschließend im Treppenhaus noch analysiert und zwar über eine ganze Spielzeitlänge. Allerdings hätte ich auch ohne die selbsternannten spanischen Fußballexperten kein Auge zugetan. Mir lag der morgige Tag vor meinen geschlossenen Augen. ‚Angst‘ wäre hier definitiv das falsche Wort. Es war eher Beunruhigung, was mich wachhielt. Ich hatte inzwischen alle möglichen Notfallpläne im Kopf, von denen mir keiner so recht gefiel. Um ca. 2:00 Uhr schaute ich noch ungeschlafen auf die Uhr und konzentrierte mich dann auf meinen Atem. Um 3:46 Uhr wachte ich auf, was ich positiv wertete, da ich ja dann immerhin mal geschlafen hatte. Ich schnappte mein Handy und schaute mir auf der App nochmal die nächste Etappe an: 32 km! Ich würde diese abkürzen müssen. Ich wischte noch etwas hin und her und blieb an einem Wort hängen: Rucksack-Transportservice! Mit dieser weiteren Option im Hinterkopf schlief ich bis 6:15 Uhr durch. Der Blick aus dem Fenster zeigte einen stark bewölkten Himmel und es sah nach Regen aus. Perfekt! Alles war besser, als in der Sonne zu garen. Nach Reste- Frühstück und morgendlichem „Pack- und Bandagier- Ritual“ lief ich die Treppe zu der sehr netten und Englisch sprechenden jungen Frau an der Rezeption herunter und bat sie, alle Pilgerherbergen im Raum Gijon nach Übernachtungsmöglichkeiten abzutelefonieren. Sie tat wirklich ihr Möglichstes, aber entweder ausgebucht oder noch nicht telefonisch erreichbar. Ohne Schlafadresse leider auch kein Rucksack- Transport 🤷🏻‍♀️ und somit keine Entlastung der Muskulatur. Ich stiefelte also um 8:13 Uhr vollbepackt los und stand nach 30 Minuten unter Euphorie! Ich lief wie ein Duracell-Häschen und die Gegend war wunderschön. Ich hatte mich für eine kurze Google-Maps Variante entschieden, bei der immer ein gewisses landschaftliches Risiko besteht. Doch ich schien Glück gehabt zu haben. Tolle Aussichten, ein fantastischer Himmel und wunderschöne Wege!

Wie schon so oft in den letzten Tagen, kam ich an einer Kuhherde vorbei, auf der ein Kölbchen mich wieder fasziniert musterte. Nur dieses Mal, lief der kleine Jungbulle auf mich zu, als ich mit ihm sprach. Kurz vor dem Zaun blieb er stehen. Als ich meine Hand nach ihm ausstreckte, lief er jedoch wieder zurück, um mir dann, im Schutze seiner Mutter, noch irgendetwas Freches zuzumuhen. Allerdings auf Spanisch 🤷🏻‍♀️…

Fast zweieinhalb Stunden war die Welt in Ordnung, dann benötigte ich leider doch die erste Schmerztablette. Leider verlief die weitere Route dann kilometerweit auch nur noch entlang einer Straße, oft ohne größeren Randstreifen. Da ich, wie hier vorgeschrieben, auf der linken Straßenseite lief, zeigten sich speziell meine Linkskurven als einstweilig sehr gefährlich. Gefühlt 80% der Autofahrer schneiden in ihrer Rechts- und somit meiner Linkskurve diese nämlich, indem sie über den äußeren weißen Randstreifen hinüberfahren. Die Wahrscheinlichkeit dort eine, auf „Abwegen“ wandernden Pilgerin auf die Motorhaube zu bekommen, ist für jeden Autofahrer sehr gering. Auf meiner Seite stieg diese Möhlichkeit jedoch rasant an. Ich lief somit nach Gehör und verließ den weißen Randstreifen, so gut dies eben möglich war, bei jedem herannahenden Fahrzeug.

Auf dem oberen Bild ist links ein abfallender Seitenrand, der Schutz geboten hat. Auf dem unteren Foto war ein Ausweichen jedoch fast nicht möglich.

Die Straße zog sich wieder ewig und ich bereute es ein wenig, nach der Googlekarte gegangen zu sein. Das war nunmal der Nachteil an einer kilometerärmeren Strecke 🤷🏻‍♀️. Ich beschloss bei der nächsten Cafeteria eine Pause einzulegen. Es kamen tatsächlich auch zwei bis drei, allerdings waren diese verschlossen. Ich gehe von einem „mittwöchlichen“ Gemeinschafts-Ruhetag, oder einer Verschwörung aus☝🏻! Oder sie öffnen auf dem Lande erst um 16:00 Uhr, was eventuell wahrscheinlicher ist. Meine Uhr zeigte 13:00 Uhr. Ich war schon fast 5 Stunden unterwegs! Zeit hatte wirklich überhaupt keine Bedeutung mehr! Nur mein Magen sah dies anders. Ich fand nach weiteren 20 Minuten am linken Straßenrand tatsächlich einen freien Platz und setzte mich dort an einen Baum. Das rechte Bein wurde „entwickelt“ und neu mit Salbe versorgt. Dann legte ich es zur Entspannung auf meinen Rucksack (gut, dass ich den dabei hatte☝🏻😉).

Auf der gesamten Strecke wurde ich wieder von Hundegebell begleitet. In manchen Orten wuchsen aus den steinernen Mauern sogar spontan Hundeköpfe, die einem weniger zugetanen Hundefreund sicher auch Angst eingejagt hätten 😉.

Nach ca. 14 km kam ich wieder auf schöne Waldwege. Auf Straßen fällt es mir meist schwer zu träumen. Dort verhalte ich mich dann eher wie der ‚Straßenkehrer‘ aus Momo, welcher versucht, immer nur ein Stück und nie die ganze Strecke zu sehen. Und jedes Stück wird „abgearbeitet“. Im Wald lasse ich gerne meine Gedanken ziehen, wohin sie wollen.

Kurz vor Gijon wirst Du von der Stadt schon in Empfang genommen. Der Blick auf die „Universidad Laboral de Gijón“ wirkt zuerst einmal einladend.

Mir erschien Gijon als arrogante und laute Stadt. Sie protzt gleich zu Beginn mit dem stattlichen Gebäude der „Universidad Laboral de Gijón“ und ihren riesigen Universitäten und Hochschulen. Sie läd dich erst ein und lässt dich dann warten. Du bist zwar drin, aber noch lange nicht da! Unzählige Vororte gaukeln dir deine vermeintliche Ankunft vor und lassen dich dann doch noch weitere Kilometer laufen. Und wenn sie dich dann endlich in Empfang nimmt, dann erschlägt sie dich mit ihren massiven „Bauklötzen“, die lieblos und aneinandergereit in den Himmel schießen. Gijon liegt direkt am Meer, und die Strandpromenade ist für mich auch wirklich der einzige schöne Fleck an dieser Stadt. Aber Strandpromenaden sind immer schön, egal wo sie sich befinden. Inzwischen gibt es auch geöffnete Cafes, aber ich möchte jetzt lieber ein Eis. Klingt nach einem bockigen Kind, ist aber nun einmal Tatsache. Und nach inzwischen fast 8 Stunden Marsch meldet sich außerdem meine Blase.

Ich bin inzwischen an unzähligen Apotheken und Cafes vorbeigekommen, aber keine einzige Eisdiele in Sicht. Somit rutscht die Verschwörungstheorie wieder in den Fokus☝🏻! Ich hole mir in einem Lebensmittelladen zwei Brötchen, Bier und „Frust“- Gummibärchen. Dann laufe ich zur Touristikinfo, wo mir eine freundliche Mitarbeiterin einen Platz in einer Pilgerherberge für 15€ „ertelefoniert“. Ich bekomme meinen Stempel und laufe in erklärte Richtung. Auf dem Weg bekomme ich doch tatsächlich mein Eis und kann vor Freude sogar kurz den Druck auf der Blase ignorieren. In der Herberge begüßt mich „Gru“ aus „ Ich- einfach unverbesserlich“. Zumindest müsste es bei der Ähnlichkeit ein Cousin ersten Grades sein 🤔. Er nimmt meine Personalien auf und meine 15€ ab. Dann zeigt er mir das Zimmer. Dabei fällt ihm auf, dass bei mir vielleicht noch etwas zu holen ist und fragt, ob ich ein Einzelzimmer will, dann müsste ich 5€ mehr zahlen. Wenn ja, dann käme niemand mehr in das kleine Zimmer dazu. Die Wshrscheinlichkeit, dass das passiert, ist eh gering und mir auch völlug wurscht, deshalb antworte ich, dass er gerne noch jemanden zu mir ins Zimmer legen dürfe. Für wie blöd hält der mich?