Schwimmend nach Deba; kein Corona-Abstand zu LKWs und weitere Überraschungen!
17.06.2021. Ich war überrascht, wie gut ich trotz Regen vorankam. Im Gegenteil empfand ich das kühle Nass, nach den letzten heißen Tagen, als sehr erfrischend! Mimikus hatte sich auch schmollend zurückgezogen und meldete sich tatsächlich gar nicht! Nur hatte Maximus die Überforderung der letzten Tage nun so stark zugesetzt, dass er mal ein leises und mal ein lautes Weinen nicht unterdrücken konnte. Das tat mir zwar im Herzen weh, aber heute durfte Fräulein Ehrgeiz die Entscheidungen treffen ☝🏻. Man muss ja ausgleichend gerecht sein 🤷🏻♀️. Dafür versprach ich, die ein oder andere Pause mehr einzulegen.


In Zumania kaufte ich mir 2 Bananen und setzte mich unter einen überdachten Durchgang. Ich hatte es den anderen dreien noch nicht mitgeteilt, aber ich wollte weiter 💪🏼. Fräulein Ehrgeiz war begeistert, Mimikus war immer noch still und beleidigt und Maximus war zwar skeptisch, ob er die über 700 Höhenmeter nach Deba schaffen würde, akzeptierte jedoch meine Entscheidung. Ich rief das Fremdenverkehrsbüro in Deba an, um nach einer Unterkunft zu fragen, doch der städtische Lärmpegel machte die Verständigung unmöglich. Ich schrie ins Telefon, dass ich mich zu einem späteren Zeitpunkt melden würde und legte auf. Nun zottelte ich aus Zumania heraus und suchte meine geliebten gelben Pfeile, welche mir immer so erwartungs- und bedingungslos den Weg gezeigt hatten. Doch egal in welche Himmelsrichtung ich mich bewegte, kein einziger gelber Pfeil ließ sich blicken! Das alleine hätte mich schon warnen müssen. Aber ich ignorierte dieses Zeichen, öffnete Google Maps auf meinem Handy und gab Deba ein. Mir wurden 2 zeitgleiche Routen angezeigt und ich entschied mich intuitiv ☝🏻… für die falsche 🙄. War ja nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich den verkehrten Weg einschlug 😂! Doch dieser führte mich erst einmal kilometerweit auf Schnellstraßen entlang, ohne Ausweichmöglichkeiten und ohne die Corona-Abstandsregelungen zu den Fahrzeugen einhalten zu können. Beim ein oder anderen überholenden LKW schwankte mein Körper wie nach einer durchzechten Nacht.

Was mich jedoch wirklich traurig stimmte, waren meine fehlenden gelben Pfeile 😞. Ich hielt mich nun an die Angaben von Google Maps, was jedoch bedeutete, mein Handy mit meinen nassen Händen immer wieder aus meinem Bauchbeutel holen zu müssen. Nach einigen Straßenkilometern (ich fühlte mich schon wie ein Kraftfahrzeug und hätte beim Überqueren der Straße beinahe gehupt 🤷🏻♀️) gab es tatsächlich eine Abzweigung in einen Feld- und Waldweg. Dieser war wirklich wunderschön und tröstete mich über die Tatsache hinweg, den wahrscheinlich schöneren Camino gegen eine Abgas-Route eingetauscht zu haben.

Als ich schon eine weitere gute Stunde gelaufen war, kam ich an einen Zaun mit einem Warnschild. Im ersten Moment befürchtete ich, hier nicht weitergehen zu dürfen. Doch nach Eingabe des Textes im Google Übersetzter war ich mehr als erleichtert! Man solle bitte das Tor nach dem Durchgang wieder schließen, da sich innerhalb freilaufende Tiere befanden. Ich habe kein einziges Tier, größer als einen Weberknecht entdecken können 🤷🏻♀️. Aber vielleicht handelt es sich hier ja auch um eine Insekten-Farm 🤔.
Nach weiteren Kilometern wurde mein innerer Wunsch dann plötzlich und unerwartet erfüllt: Meine geliebten gelben Pfeile!!!

Ich mag ja die selbstgesprayten am liebsten, da sie mich an die Schnitzeljagd aus meiner Kindheit erinnern. Ich war jedenfalls wieder auf meinem Weg 💪🏼! Dieser verwandelte sich allerdings zunehmend in einen fließenden Bach. An manchen Stellen war nicht mehr erkennbar, wohin man trat. An dieser Stelle möchte ich mich bei Olga, einer guten Freundin bedanken, die mir ihre Wanderstöcke aufgeschwatzt hat, und von denen ich am Ende aus Gewichtsgründen, doch nur einen mitnahm 🙈. Er hat mich heute sehr unterstützt und ich war dankbar, ihn bei mir zu haben.

Um 17:45 Uhr betrat ich Deba. Klatschnass, erschöpft und überglücklich darüber, dass wir es, trotz zwischenzeitlicher heftiger Schmerzen beim Abstieg, geschafft hatten!

Die Freude wärte nicht lange… das Fremdenverkehrsbüro hatte trotz der aushängenden Öffnungszeiten geschlossen und auch die Polizei, die ich in diesem Falle kontaktieren sollte, konnte mir nur eine Aussage erteilen: Aufgrund von Corona hatten hier alle Herbergen und Hostels geschlossen und die teuren Hotels waren komplett ausgebucht! Nach vielen Telefonaten von Spanien bis Deutschland gab es nur eine Option: Ondarroa! Ein Ort, der zwar in westlicher Richtung, jedoch völlig außerhalb des Camino lag! Dort gab es in einem Hostel noch ein letztes Bett für 35 €. Um dorthin zu gelangen brauchte ich ein Taxi oder einen Bus. Eine sehr nette Spanierin aus einem Lebensmittelladen war sofort hilfsbereit und redete auf Spanisch im Speedtempo auf mich ein. Nach ungefähr 5-maliger Wiederholung des immer gleich schnellen Satzes, und einigen spanischen Wörtern, welche ich auf Babble gelernt hatte, verstand ich, dass um 19:40 Uhr ein Bus nach Ondarroa fuhr und ich an der letzten Haltestelle aussteigen sollte. Von dort waren es 5 Minuten zum Hostel. Ich kaufte dankbar 2 Dosen Bier bei ihr und wackelte, inzwischen frierend, zur Haltestelle.
Im Hostel begrüßte mich ein Typ, der mich an einen guten Freund erinnerte: Vokuhila- Frisur, tättowiert, Harley-Typ (= Klaus 😉). Er zeigte mir alles und auf meine Frage, wo ich duschen könne, antwortete er, dass die Dusche und ein Waschbecken im Zimmer sei. Nur die Toiletten seien im Flur. Ich war sooo glücklich! Eine Dusche nur für mich 😊. Das Zimmer bestand aus einer Klappliege, einem Schreibtisch mit wackeligem Stuhl und einigen Regalen. Das Beste aber war der Ausblick aus dem Fenster! Direkt auf’s Meer 😍. Im Zimmer packte ich erst einmal alles aus und fand dabei doch tatsächlich aus einer vorherigen Wanderung ein Vesperbrett und ein Messer, welches ich später zum Abendessen nutzte. Und hier kommt das erste Outing 🙈: Ich hatte einen Regenschutz für meinen Rucksack geschenkt bekommen, diesen aber vorher nicht ausprobiert… „Doch prüfe, wer sich lange bindet, ob er nicht noch was größ’res findet“ 🤷🏻♀️… er war zu klein. Und somit war der obere Teil meines Gepäcks zwar geschützt, doch im unteren drang die Feuchtigkeit ein und stieg, auch ganz ohne Leiter, langsam bis in den oberen Teil hinauf 🙄. Somit verteilte ich meine durchfeuchteten Habseligkeiten erst einmal zum trocknen im Zimmer, zog meine ebenso durchfeuchteten Klamotten aus und freute mich auf eine warme Dusche! Was jetzt kommt, da müsst ihr durch. Ihr wolltet dabei sein, nun bekommt ihr die ungeschönte Wahrheit 🤷🏻♀️. In diesem Moment meldete sich meine Blase! Und das war eher ein Notruf ☝🏻. Wer mich zukünftig fragt, ob ich als erwachsene Frau schon einmal in eine Dusche gepinkelt habe, der wird mit dem Gedanken an die Antwort leben müssen 😎.

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