Einsam gemeinsam mit Entengrütze


05.06.2022
Am gestrigen Tag bin ich habe ich um 06:30 die schöne Herberge in Fao verlassen, da ich eventuell einen weiteren längeren Camino-Tag absolvieren wollte. Ein festes Ziel hatte ich wieder nicht, aber ich traute mir aufgrund des flachen Weges einige Kilometer zu.
Um ehrlich zu sein, hoffte ich ein wenig auch wieder auf Nicole zu treffen, da schon die wenigen Minuten mit ihr sehr angenehm und tatsächlich etwas vertraut gewesen waren.
Ich lief zügig los, in der Hoffnung baldmöglichst auf irgendeine Frühstücksmöglichkeit zu stoßen. Auch heute verließ ich hi und da den Camino und scherte mich tatsächlich überhaupt nicht um meine sonst so begehrten gelben Pfeile. Irgedwie war dieser Weg so völlig anders, als der Camino ein Jahr zuvor. Grübeleien und Gedanken waren wie ausgeschaltet. Vielleicht ließen diese aber auch nur einfach auf sich warten.
Was jedoch blieb war die emotionale Abneigung gegen Pilger-Rudel. Kaum entdeckte ich diese auf der Strecke, beschleunigte Fräulein Ehrgeiz nicht nur, um an die forderste Lauffront zu kommen, sondern auch um anschließend den nötigen Abstand herzustellen.
Nun mag der Wunsch, auf Nicole zu stoßen im krassen Gegensatz zu meinem Einsamkeitsdrang stehen. Ich habe hier keine Kompromiss-Zone. Entweder der Mensch, der mich nach wenigen Sekunden emotional erreicht hat, oder keiner!
Es regnete wieder und meine Schuhe fabrizierten bei jedem Vorwärtsschritt kleine Spritzwellen und die durchbrechende Sonne zauberte einen Regenbogen an den Himmel.


Nach gut 3 km Umweg war ich dann endlich wieder auf dem Küstenweg und hatte inzwischen die Hoffnung, Nicole noch zu treffen verworfen. Ich schlenderte somit das Kopfsteinpflaster (unglaublich) entlang, ohne auf weitere Mitpilgerer zu achten, bzw. diese sogar möglichst zu ignorieren oder wieder schnellstmöglich zu überholen. Plötzlich rief es: ,Ach neee‘, von einem schattigen Plätzchen links des Caminos und die unbesohlte und pausierende Nicole winkte mir fröhlich zu. Und ja, ich freute mich ;-)…

Der Zufall hatte mich zufälligerweise eine Frau treffen lassen, die zufällig per Zufall in ihrem Leben zufällige Ähnlichkeiten zu zufällig meinem Leben hatte. Punkt! Und zufälligerweise akzeptierte mein Einsamkeitsmodus mit dieser Frau zu zweit einsam zu sein.


Nach 32 km erreichten wir nun (gem)einsam Viano de Castelo und gönnten uns direkt neben der Herberge, in welcher wir später absteigen wollten, erst einmal ein Bier. Ich natürlich ein 0,0 (superalkfrei). Als wir dann zum einchecken aufbrachen, lief ein weiterer Pilger direkt vor uns in die Unterkunft und wir witzelten, dass es nun nur noch ein Bett geben würde. Und fuck, genau dies trat tatsächlich ein. Nun mussten wir tiefer in die Tasche greifen, denn ein ,Privat-Room’ mit zwei Betten kostete 25€/Person und die Wahrscheinlichkeit in einer entfernteren Herberge noch Plätze zu bekommen, versiegte mit jeder weiteren Minute. Wir schlugen somit zu und bekamen hierfür immerhin noch einen Frühstücks-Gutschein.
Später kauften wir uns in einem Supermarkt noch Käse, Kräcker, Gürkchen und Oliven, Tomaten und Guacamole (Nicole sagt: ,Quakamole‘ …also Entengrütze :-D) sowie weitere zwei Bier und setzten uns am Fluss Lima auf die sonnengewärmten Steine des Bodens.
Wäre es nicht unendlich frisch geworden, hätten wir womöglich noch ewig geplaudert. Ein anstrengender Tag und sehr kurzweiliger Abend neigte sich dem Ende und wir zogen uns ins Zimmer zurück. Dort bekam Nicole (ausgerechnet von mir) noch eine Kurzeinweisung ins Erstellen von Instagram-Stories und anschließend versuchten wir (ich leider mit mäßigem Erfolg) endlich in unseren auftankenden Schlaf zu finden. Morgen war ausschlafen bis 07:00 Uhr geplant, denn Frühstück gab es erst um 08:00 Uhr.

Das Frühstück bestand dann aus einem Brioche und einer Tasse Kaffe. Aber das reichte vollkommen aus.
Ich werde den heutigen Tag kurzfassen, da ich nun recht müde bin.
Die Etappe war zwar kürzer (22 km) als die Tage zuvor, dennoch forderte sie einiges an Kraft. Die Sonne brannte vom Himmel und auf unsere unbedeckte, wenn auch eingecremte Haut und hinterließ an einigen Stellen einen wirklich unangenehmen Sonnenbrand. Mein linkes Knie Maximus fand auch den zweiten Camino nun nicht mehr ganz so lustig und oberhalb meiner rechten Ferse hatte ich ziemlich unschöne Druckschmerzen, so dass ich den hinteren Teil meines Schuhs schließlich wie einen Schlappen, nach unten treten musste, um weiter laufen zu können. Dabei zog ich mir allerdings an der Unterseite des Fußes eine Blutblase zu. Ärgerlich aber nun nicht mehr zu ändern. Nicole schmerzten ebenfalls Beine und Hüften und sie betonte, dass sie heute sehr träge vorankam. Wahrscheinlich gehören diese Blessuren nun mal einfach dazu.
Trotz dieser unschönen Nebenerscheinungen, war es ein fantastischer Tag. Wir lachten viel, die Gegend überraschte mit unerwartet schönen Plätzen und ich fühlte mich hier einfach nur richtig.
Es gäbe noch so Vieles über heute zu berichten, aber ich werde nun noch die Fotos sprechen lassen. Ich war heute nahe dran…




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